Ich will, dass ihr in Panik geratet!

Die bürgerliche Mehrheit im Klotener Gemeinderat möchte in Kloten keinen "Klimanotstand" ausrufen und ignoriert somit vollkommen die Forderung der Jugend nach mehr Klimaschutz. Hier gibts die Begründung des Vorstoss unseres jüngsten SP-Gemeinderats aus dem Bezirk Bülach zum Nachlesen.

Sehr geehrte Ratsleitung,

sehr geehrter Stadtrat,

sehr geehrte Damen und Herren aus der Verwaltung,

sehr geehrte Damen und Herren aus der Presse,

sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer,

liebe Ratskolleginnnen und –kollegen.

„Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn es brennt!“ Ich beginne hier mit dem wohl berühmtesten Zitat von Greta Thunberg, in der Hoffnung, dass die rechte Ratsseite beim blossen Hören dieses Namens in Schockstarre verfällt und mir nun Aufmerksam zuhört, denn es ist wichtig.

Foto made by close.photography
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Mit diesem Postulat hole ich den Klimahype, wie es die FDP nennen würde, nach Kloten. Dabei zuerst einmal eine Gratulation an Sherlock Nabholz: Es ist wahr, du hast mich durchschaut, dieses Postulat ist tatsächlich ein Copy-Paste-Vorstoss, analog zu den Vorstössen aus dem Kantonsrat oder den beiden Vorstössen aus den anderen beiden Parlamentsgemeinden im Bezirk, bei welchen der Vorstoss angenommen wurde, aber später mehr dazu. Nur muss ich dich hier leider enttäuschen, du hast hier nichts neues aufgedeckt. Es war nämlich schon von Anfang an die Idee, diesen Vorstoss in möglichst jeder Parlamentsgemeinde einzubringen. Die Komplexität der Klimakrise erfordert Antworten und Lösungen auf allen Ebenen, sprich sowohl international und auf Landesebene als auch auf kantonaler und kommunaler Ebene, weshalb diese Forderungen zwingend überall umgesetzt werden müssen.

Und ja Nabi (Peter Nabholz, FDP), ich gebe dir Recht, es wird hier tatsächlich so getan, als ob der Klimawandel das einzige relevante Thema auf der politischen Agenda wäre, da er es auch ist. Ich will hier überhaupt nicht andere Themen, welche auch zurecht sehr hohe Relevanz geniessen, schlecht reden, nur steht der Klimawandel über allem, ob dir das nun passt oder nicht. Der neuste IPCC Bericht zeigt wissenschaftlich und mit aller Klarheit auf, dass wir uns mitten in einer menschgemachten Klimakrise befinden. Eine Erwärmung um 1.5 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bis 2050 wird von den Expertlnnen als Grenze definiert, welche «nur» Konsequenzen nach sich zieht, welche noch als bewältigbar oder reversibel gelten, wobei man auch hier die Rettung der Gletscher oder der Korallenriffe aussen vor lässt, denn für diese kommt bereits jetzt jegliche Hilfe zu spät. Wenn wir jetzt nicht reagieren, wird es zu spät sein. Noch ist eine Reaktion möglich, viel Zeit bleibt uns aber nicht.

Wenn wir dieses Thema also jetzt nicht genug Ernst nehmen, braucht es bald gar keine politische Agenda mehr, da es uns Menschen dann auch nicht mehr gibt.

Philip Graf, Gemeinderat SP

Um den Bogen wieder in Richtung politische Agenda zu spannen: Wenn wir dieses Thema also jetzt nicht genug Ernst nehmen, braucht es bald gar keine politische Agenda mehr, da es uns Menschen dann auch nicht mehr gibt. Und ja, Beat (Beat Vorburger, FDP), das siehst du ganz richtig, es wird auf reisserische Art reine Ökosymbolik und Panikmache betrieben. Aber im Gegensatz zur gewohnten bürgerlichen Panikmache ist diese legitim, wissenschaftlich belegbar und vor allem echt. Ja, wir haben Angst, wir jungen Menschen. Wir haben grosse Angst vor der Zukunft, die es ja womöglich, wenn wir so weitermachen, gar nicht mehr geben wird. Und obwohl wir unsere Angst an diversen Klimastreiks und –demos immer wieder offen legen, wird diese Angst einfach konsequent wegignoriert von den Bürgerlichen und als linke Gehirnwäsche abgestempelt, obwohl diese Veranstaltungen immer von nicht parteilichen Organisationen geplant werden und an diesen Veranstaltungen nicht eine Parteiflagge gehisst wird. Die Bürgerlichen lassen hier also bewusst eine ganze Generation weg bei ihrer Aufgabe als Volksvertreter und nehmen ihre Kompetenzen als Vertreter nicht korrekt wahr.

Zudem ist diese Angst auch noch mehr als nur berechtigt. Ich bin hier ganz offen und ehrlich. Ich habe mich unter anderem in meinem Studium an der ETH sehr stark mit diesem Thema befasst und muss euch sagen, es sieht wirklich übel aus. Es ist nicht wie häufig behauptet 5 vor 12, es ist eher schon 5 nach 12 und unsere einzige Möglichkeit, an dieser Uhr noch etwas zu rütteln und die Zeitzone zu wechseln, ist schnelles und massives Handeln.

Ich wehre mich an dieser Stelle auch fest gegen die Anschuldigung, dass ich nicht wertschätzen würde, was hier alles schon für das Klima und die Energiepolitik in Kloten getan wird. Ich finde die Einführung einer ständigen Energiekommission sowie die von der glp geforderte fixe Fördersumme riesige Sprünge in die richtige Richtung, aber es ist leider noch zu wenig, auch wenn das jetzt sehr zynisch klingen mag. Wenn wir nicht bis aller spätestens 2050 weltweit die Nettoemissionen auf null setzen, können wir das Ziel von maximal 1.5°C Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit vergessen, was absolut verheerend wäre, da, wie bereits zuvor erwähnt, 1.5°C die Grenze ist, welche «nur» Konsequenzen nach sich zieht, welche noch als bewältigbar oder reversibel gelten. Was eine stärkere Erwärmung zur Folge hätte, hat IPCC sehr übersichtlich auf einem Diagramm visualisiert. Ich habe eine Kopie davon jeder Fraktionspräsidentin und jedem Fraktionspräsidenten abgegeben, damit ihr diese Tabelle innerhalb der Fraktion noch genauestens studieren könnt.

Jetzt heisst es natürlich aus der rechten Ratsseite natürlich aber immer, dass für die Erreichung dieses Ziels gar nicht viel unternommen werden muss. Solange man Energie- und Ressourceneffizienz fördert, erledigt sich das mit den Emissionen von ganz alleine, wodurch es, in den Worten von Beat (Beat Vorburger, FDP) ausgedrückt, sicherlich keine Verbots- und Bevormundungspolitik nach links-grünem Gusto brauche, was sowieso ein ideologischer Irrweg sei. Dass vielleicht Energie- und Ressourceneffizienz gar nicht zu einer Emissionsreduktion, sondern sogar zu einer Erhöhung führen kann, wenn man nicht mit regulierenden Massnahmen gewisse Sachen strikt verbietet, wird hierbei gar nicht erst hinterfragt. Ich kann euch dies aber ganz einfach aufzeigen, dass dem so ist: Die erste Dampfmaschine wurde 1712 von Thomas Newcomen konstruiert. Seit dieser Erfindung von mehr als 300 Jahren wird nun nichts mehr anderes getan, als effizientere Maschinen zu entwickeln und Ressourcen effizienter zu nutzen. Und wie haben sich die weltweiten Emissionen seither verändert? Genau, liebe FDP, sie nehmen seither stetig zu. Energie- und Ressourceneffizienz mit der globalen Emissionsreduktion gleichzusetzen ist also nicht besonders schlau. Und übrigens, das vielleicht noch so am Rande erwähnt, wenn wir schon mit Verboten anfangen, die ja nicht liberal sein sollten: Man ist nicht liberal, in dem man gewährleistet, was Freiheiten zerstört. Das sollten sich die unter euch, die sich immer stolz liberal nennen, einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Wir müssen handeln, da besteht keinen Zweifel. Insofern ist es auch für die internationale Politik von grosser Bedeutung, dass die Schweiz und insbesondere der Kanton Zürich als bevölkerungsreichster Kanton der Schweiz mit von der Partie sind. Diese sind dabei als weit überdurchschnittliche Emittenten von Treibhausgasen im besonderen Masse gefordert. Als wichtiger Wirtschaftsstandort kann und muss der Kanton Zürich Anreize für die Entwicklung von Lösungen, Geschäftsfeldern und Innovationen schaffen, welche als Ganzes eine tragfähige Klimastrategie bilden. Und hier gebe ich dir sogar Recht, Nabi (Peter Nabholz, FDP), hier gilt das Verhältnismässigkeitsprinzip, allerdings legst du es in die falsche Richtung aus. Wenn eine Massnahme einen riesigen Aufwand erfordert, aber nur einen kleinen Nutzen bringt, dann ist sie insofern äusserst verhältnismässig und rational, dass sie uns dabei hilft den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Ich gebe zu, die ökonomischen Aufwände sind nicht ohne, welche wir benötigen, um den Klimawandel einzudämmen, aber gemäss Verhältnismässigkeitsprinzip müssen die Investitionen dennoch jetzt fallen, denn wenn wir zu lange zögern, vervielfachen sich die Kosten durch Katastrophen wie weltweite Ernteausfälle, massive Flüchtlingsbewegungen und extreme Unwetterkatastrophen um nur einige zu nennen ins Unendliche. Das, meine Damen und Herren, das ist unökonomisches und unverhältnismässiges Verhalten und nicht die Boykottierung von Unterfangen, bei denen das Kosten/Nutzen Verhältnis momentan vielleicht nicht ganz brilliert.

Wir müssen alles erdenkliche Versuchen, an jeder noch so kleinen Stelle ansetzen, jede Möglichkeit nutzen und vor allem keine Zeit verlieren, denn die Zeit hat schon ein Stängeli an Toren Vorsprung und es sind nur noch wenige Minuten zu spielen. Es ist deshalb auch ausserordentlich wichtig, dass auch wir als Stadt mit anpacken, denn jedes gesparte Gramm CO2 zählt. Ausserdem sollten wir dem Vorbild von Opfikon/Glattbrugg und Bülach folgen und nicht als einzige Parlamentsgemeinde in unserem Bezirk verbleiben, welche den Klimanotstand nicht ausgerufen hat. Dies würde uns automatisch zur rückständigsten Stadt im Bezirk machen, und ich weiss ja nicht wie es euch geht, aber ich bin Klotener durch und durch und rein der Gedanke in der rückständigsten Stadt des Bezirks zu wohnen, macht mich wahnsinnig. Darum lasst uns zeigen, dass auch wir eine äusserst vorbildliche Stadt sind, die Innovation im Energiebereich fördert, wie zum Beispiel mit der Einführung einer klimaneutralen Verwaltung oder der Schaffung eines Mobilitätskonzepts der Verwaltung, was ihr bürgerlichen ja schon einmal glorreich bekämpft habt, oder die Weiterführung des Förderprogramms für Gebäudesanierungen oder eine neue Eigentümerstrategie für die IBK, die den Fokus noch stärker auf erneuerbare Energien legt. Die Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Forderungen sind schier grenzenlos. Die Forderungen legen einfach fest, wo sich die Energiepolitik hineinwickeln muss, damit der Fortbestand der heutigen Gesellschaft gewährt werden. Was also an dieser Politik nicht zielbringend sein sollte, muss die CVP, die im Vorfeld genau diese als nicht zielbringend beschimpft hat, mir dann doch noch einmal erklären.

Zusätzlich entstehen durch diese Innovationen völlig neue Geschäftsfelder, was ökonomischer nicht mehr sein könnte, nicht wahr liebe FDP?

Und wo wir doch schon wieder bei der FDP Fraktion sind, vielleicht noch zum Schluss folgendes, und zwar in den Worten von Wayne Gretzky, dessen Zitaten ihr ja laut Klotener Anzeiger grosses Vertrauen schenkt: „I’m not a big risk-taker. I stay away from things I don’t know anything about.“ Deutsch: „Ich nehme keine grossen Risiken in Kauf. Ich halte mich fern von Sachen, von denen ich überhaupt nichts verstehe.“ Folgt doch bitte hier genau eurem Vorbild Gretzky. Nehmt doch bitte das grösste Risiko bezüglich der Ausrottung der Menschheit nicht in Kauf. Haltet euch fern von diesem Thema, von dem ihr offensichtlich keine Ahnung haben müsst, da ihr es nach wie vor auf die leichte Schulter nehmt und immer noch behauptet, dass alles ja gar nicht so schlimm sei und mit ein wenig auf Effizienz setzen alles in Ordnung gerückt werden kann. Vertraut den Experten, den Wissenschaftlern, die uns schon seit Jahrzehnten von dieser aller grössten Katastrophe auf Erden warnen. Kein Wissenschaftler zweifelt heute noch am Klimawandel und alle samt sind sich einig, dass wir jetzt handeln müssen. Wir sind nun in den letzten Jahren angekommen, in denen wir den Wandel so eindämmen können, dass ein Fortbestand der Menschheit gewährleistet wird. Bitte, liebe Ratskolleginnen und Rastkollegen, verspielen wir diese letzte Chance nicht, zeigen wir, dass wir in Kloten die Sachlage erkennen und ernst nehmen, rufen wir den Notstand analog zu den anderen beiden Parlamentsgemeinden im Bezirk aus und schreiten wir auch in diesem vielleicht wichtigsten Thema überhaupt als grosses Vorbild für andere Städte und Gemeinden weltweit voran. Danke!